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Sind Männer noch nicht einsam genug?

  • Autorenbild: Katharina P.
    Katharina P.
  • 27. März
  • 4 Min. Lesezeit

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Junge Männer haben es heutzutage wohl in der Gesellschaft schwerer als junge Frauen. Eine These, die besonders bei Frauen zu Bauchschmerzen führen dürfte, aber tatsächlich von über der Hälfte aller jungen Männern in den USA vertreten wird.* Denn sie haben mehr Schwierigkeiten bei der Partnersuche, werden zunehmend in der Schule und Berufsleben von Frauen überholt und finden in der modernen Welt nicht den Sinn des Lebens.

Dennoch sind Frauen diejenigen, die nachweislich Chancenungleichheiten im Job erfahren, unter geschlechtsbezogener Gewalt, insbesondere ausgehend von ihren (Ex-)Partner, leiden und einer ständigen Sexualisierung und Misogynie ausgeliefert sind. Rein objektiv also werden Frauen als gesellschaftliche Gruppe nach wie vor unterdrückt. Von Männern.


Es stellt sich also die Frage, wieso sich der Unterdrücker unterdrückt fühlt und welche Chancen sich nach dem Kannibalisierungseffekt, die das Patriarchats zu erleben scheint, ergeben. Wie finden Männer und Frauen wieder zueinander, ohne dass eine Gruppe unterdrückt wird oder eine andere sich abgehangen fühlt?



Lange Zeit herrschte eine klare Vorstellung der Geschlechterrollen. Das Bild des Mannes war klar: Er hat das Geld nach Hause gebracht. Und weil Frauen die Möglichkeit verwehrt wurde, selber ein Vermögen aufzubauen, mussten sie schon allein aus ökonomischen Gründen einen Mann heiraten. Ihre Rolle in dieser Ehe war auf die der Hausfrau und Mutter reduziert. Zwar wurden diese Rollen mit Zwang durchgesetzt und hat Frauen damit ihre Rechte abgesprochen, aber es herrschte eine gesellschaftliche Ordnung. Dadurch, dass der Mann der alleinige Brotverdiener war, kippte natürlich auch das Machtverhältnis in den Ehen. Denn die Frau konnte ohne ihren Mann kein Bankkonto führen, kein Auto fahren, konnte ihn nicht einfach verlassen. Sie war, um zu überleben, auf ihren Mann angewiesen. Es mag zynisch klingen, aber viel mehr als ein stabiles Einkommen musste ein Mann in der Regel nicht vorweisen, Frauen waren eben darauf angewiesen einen Mann zu heiraten.



Nun hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges getan und Frauen “brauchen” keinen Mann mehr. Und das zeigt sich im Bildungswesen: Mädchen sind besser in der Schule, machen häufiger einen Schulabschluss und auch mehr Frauen erhalten einen höheren Bildungsabschluss als Männer. Ökonomische Gründe sind bei der Partnersuche also in der Regel nicht vorrangig. Und tatsächlich fühlen sich Männer einsamer als Frauen. Das liegt zwar auch daran, dass Männer mehr Schwierigkeiten haben eine Partnerin zu finden, hinzu kommt aber auch, dass auch mehr Männer als Frauen angeben, keine oder nur sehr wenige Freunde zu haben. Dieser Zustand ist in den letzten 30 Jahren rasant angestiegen, so sehr, dass einige von der “male loneliness epidemic” (zu deutsch “männliche Einsamkeitsepidemie”) sprechen.



Einsamkeit ist ein Gemütszustand, der aus einer Diskrepanz zwischen den sozialen Beziehungen, die eine Person erlebt, und denen, die sie sich wünscht, entsteht.

Sie ist also nicht wirklich messbar, sondern vielmehr ein subjektives Empfinden, welches allerdings schwerwiegende gesundheitliche und gesellschaftliche Folgen haben kann. Einsamkeit und soziale Isolation erhöhen das Risiko eines vorzeitigen Todes um 26 % bzw. 29 %. Auch Herzkrankheiten, das Risiko eines Schlaganfalls, Angstzustände, Depression, etc. nehmen drastisch zu. Auch gesellschaftlich hat Einsamkeit Folgen, welche sich aktuell beobachten lassen.


Menschen sind nicht gerne einsam, besonders wenn die Einsamkeit nicht freiwillig ist, suchen Menschen eine Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen. Gerade bei jungen Männern lässt sich beobachten, dass sie online Zusammenhalt und Zugehörigkeit suchen und viele finden sie in der Manosphäre. Dabei handelt es sich um eine Ecke des Internets, in der konservative Familienbilder und “traditionelle” Geschlechterrollen angepriesen werden. Emotionale Kälte, monetärer Reichtum und Dominanz werden als Männlichkeit verkauft, dabei handelt es sich vielmehr um hegemoniale und toxische Männlichkeit.


Angeführt wird dieses antifeministische und frauenfeindliche Weltbild unter anderem von Influencern, wie beispielsweise Andrew Tate. Ein Mann der nicht nur höchst frauenverachtende Ideologien verbreitet, sondern bereits des Menschenhandels, sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung beschuldigt wurde. Dennoch vertraut ihm einer von fünf jungen Männern. Es lässt sich leicht mit dem Finger auf andere zeigen, um sie auszulachen. Und das ist genau das Problem, welches die “woke Linke” mit jungen Männern macht. Sie grenzen Männer aus, zeigen mit dem Finger auf sie, während die Rechte ihnen die Hand reicht. 



Es überrascht wenig, dass Studien bestätigen, dass je mehr sich ein Mann an kulturellen Normen der Männlichkeit, wie der emotionalen Unterdrückung, Dominanz und Kontrolle orientiert, desto weniger geistig stark und anpassungsfähig er ist. Höhere Raten von Depressionen, Angstzustände, Mobbing und sexuelle Belästigung von Frauen und Selbstmordgedanken kommen Hand in Hand mit den Idealen der Manosphäre. Auch wenn das Zurückkehren zu traditionellen Idealen einfacher erscheint und einen Sinn des Lebens vermittelt, so hat es offensichtlich sowohl für Frauen als auch für Männer gravierende Folgen. Häufig kommt das Mobbing und die Sexualisierung von Frauen mit einer Erwartungshaltung, ja sogar einer Anspruchshaltung einher. Frauen seien dem Mann und seinen Bedürfnissen unterlegen und tragen somit auch Verantwortung für die Epidemie einsamer Männer. 


“Einsamkeit und Isolation schaden ganzen Gemeinschaften. Soziale Bindungslosigkeit wird mit einer geringeren Produktivität am Arbeitsplatz, schlechteren Leistungen in der Schule und einem geringeren bürgerschaftlichen Engagement in Verbindung gebracht. Wenn wir weniger füreinander empfänglich sind, sind wir anfälliger für Polarisierung und weniger in der Lage, an einem Strang zu ziehen, um die Herausforderungen zu bewältigen, die wir allein nicht lösen können - vom Klimawandel und Waffengewalt bis hin zu wirtschaftlicher Ungleichheit und künftigen Pandemien. Wie schon seit Jahrzehnten hat die Epidemie der Einsamkeit und Isolation andere Probleme angeheizt, die uns umbringen und unser Land zu zerreißen drohen.” (Vivek H. Murthy, 2023: We have become a lonely nation. It's time to fix that)



Wir müssen als Gesellschaft das Bild von Männlichkeit aufbrechen, nicht weil Männlichkeit nicht in Ordnung ist, sondern weil sie aktuell eingesperrt ist






*Umfragewerte aus den USA gelten natürlich nicht weltweit und weichen vermutlich zurzeit aufgrund des extremen politischen Klimas von europäischen Werten ab. Nichtsdestotrotz können die USA aufgrund vieler Parallelen hier als Referenz herangezogen werden.


Quellen:

 
 
 

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